employees developement system (EDS)Ein Projekt im Rahmen des Diplomkurses für Einkaufsmanager am Wirtschaftsförderungsinstitut Linz, 2002
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Reinhard K. Sprenger MYTHOS MOTIVATION - Wege aus der SackgasseZusammenfassung (Ch. Stranzinger)Reinhard K. Sprenger räumt
in seinem Buch „Mythos Motivation“ nach Strich und Faden mit halbherzigen
Motivierungsversuchen auf. Er klärt vorab die Terminologie zwischen Motivation
und Motivierung: Während mit dem Suffix „-ion“ in der deutschen Sprache üblicherweise
ein Zustand beschrieben wird, steht die Endung „-ung“ in der Hauptsache für
einen Ablauf. Die
Motivation, der Zustand des motiviert seins also, basiert für Sprenger vordergründig
auf einem Eigenantrieb des Individuums, während der Ablauf des motiviert
werdens für den Autor auf einen Fremdantrieb bzw. eine Fremdsteuerung hinweist. Das
Wort Motivation an sich hat seinen Stamm im lateinischen, es kommt von „in
movitum ire“ – bedeutend „in das, was [den Menschen] bewegt,
einsteigen“. Daraus
resultiert das Hauptproblem fehlgeschlagener Motivierungsversuche: Der
Motivierende versucht, das WIE zu ergründen (wie motiviere ich meine
Mitarbeiter) und lässt dabei das WARUM (warum ist mein Mitarbeiter demotiviert)
außer Acht. Rolf
Balling prägt scherzhaft jenen Ausdruck, der für Sprenger zum Inbegriff aller
oberflächlichen Motivations-Versuche wird: MOTIPULATION. (Bedeutung
Manipulation [lat.]: mit der Hand ziehen). Zeitgenössische
Untersuchungen von Helmut Klage und Elisabeth Noelle-Neumann belegen, dass die
Terminologien „Beruf, der mir gefällt“ und „Freizeitaktivität, die mir
gefällt“ gleichermaßen aufgewertet wurden. Darüber hinaus will ein
tendenziell wachsender Teil der Arbeitnehmer „mehr Verantwortung“ übernehmen
– wobei diesbezüglich auch die sogenannte 2. Reihe interessanter wird. Die
Frage „glauben Sie, es wäre am Schönsten zu leben, wenn Sie nicht arbeiten müssten?“
beantworten heute kaum mehr Menschen mit ja als in den arbeitsintensiven 60er
und 70er Jahren. Klage und Noelle-Neumüller sehen Menschen mit wachsendem
Handlungsspielraum signifikant zufriedener. „Arbeit, die Spaß macht“ hat
heute zumindest den gleichen Stellenwert wie ein höheres Einkommen, und
„Arbeit, die Sinn macht“ erhielt in den letzten Jahren eine signifikant
wachsende Bedeutung gegenüber Status und Karriere. Das
Bedürfnis, in der Arbeit etwas zu machen, das Spaß und Sinn macht, ist heute
größer denn je. Wenn
nun auf dieses Bedürfnis die verzweifelten Versuche treffen, durch die fünf
großen „Motivations“-B (Bedrohen, Bestrafen, Bestechen, Belohnen,
Belobigen) den Mitarbeiter zu noch mehr Leistung anzuspornen, wird Sprengers
These verständlich: Die
Motivierung ist die massenhafte Verführung zur inneren Kündigung. Erst
durch entsprechende Individualisierung kann die Motivierung zur Motivation
werden – und selbst dabei lauern Gefahren, wie zum Beispiel die Projektion von
Bedürfnissen von der Führungskraft auf den Mitarbeiter. Sprenger
konstatiert weiter, der Ursprung aller Motivierungsversuche sei eine behauptete
oder beobachtete Lücke zwischen der tatsächlichen und der möglichen
Arbeitsleistung. Somit ist die Motivierung methodisiertes Misstrauen. Sprengers
Schluß: Alles Motivieren ist Demotivieren! Sprenger
sieht weiters im Wesentlichen zwei Typen von Arbeitnehmern: 1)
Mitarbeiter, bei denen die Motivationslücke nicht existiert, sondern die
voll motiviert Erfolg und Befriedigung in Ihrer Arbeit suchen. Diese bezeichnet
Sprenger als Erfolgssucher 2)
Mitarbeiter, bei denen die Motivationslücke tatsächlich existiert, die
in jeweils individueller Abstufung demotiviert ihre Aufgaben in dosiertem
Arbeitseinsatz „erledigen“ und dabei möglichst nicht durch Misserfolge
auffallen wollen. Diese nennt er Misserfolgsvermeider. Sprengers
Thesen folgend, werden Erfolgssucher durch Motivierungsversuche zu
Misserfolgsvermeidern. Sprenger
weist im Weiteren auf die Tatsache hin, dass alles Motivieren letztlich dem
Sisyphos-Dilemma unterliegt, und bezeichnet das Lob als Herrschaftszynismus –
soferne es übertrieben oder unpassend angewendet wird. Er spricht von einer
gewissen Anerkennungs-Ökonomie und davon, dass Loben schlichtweg in ist. Sprenger
geht dann auf die Bonus-Praxis vieler Unternehmen ein – und beleuchtet diese
durchaus kritisch. Kernaussage: „Die Bonus-Praxis in den Unternehmen ist die
Krankheit, für deren Heilung sie sich hält“. Sprengers Begründung umschließt
zwei Varianten: 1)
die negative Verdachtsstrafe Der
zum Grundgehalt gebotene Bonus ist hier nichts anderes, als die behauptete
Differenz zwischen tatsächlicher Arbeitsleistung und dem Leistungspotential des
Arbeitnehmers – also sozusagen die Motivationslücke. 2)
die positive Verdachtsstrafe Hier
wird dem Arbeitnehmer zwar für 100% Leistung 100% Gehalt geboten, allerdings
darüber hinaus in Form eines Bonus für weitere Leistungen angeboten,
entsprechend mehr zu verdienen. Gleichzeitig birgt diese Variante allerdings die
Unterstellung, der Arbeitnehmer sei in der Lage, eben mehr als diese 100% zu
leisten. Sprengers
Behauptung, Motivierung sei methodisiertes Misstrauen, spiegelt sich in dieser
Betrachtung wider. Nach
einer Phase der Untermauerung Sprengers Thesen (mit einer Fülle an
Fallbeispielen) geht der Autor letztlich auf die echte, die wahre Motivation
(nicht Motivierung!) ein. Sprenger
beginnt mit einem scheinbar banalen Beispiel: Er erzählt vom Säugling, der
lacht, wenn er mit seiner Hand ein an einer Schnur befestigtes Spielzeug in
Bewegung versetzen kann. Derselbe Säugling jedoch registriert es ohne Gefühlsregung,
wenn jemand anders das Spielzeug bewegt. Die Kompetenz, die Fähigkeit zur
Situationsbewältigung, lässt ihn lächeln – motiviert ihn. Die
Motivation jedes Einzelnen ist letztlich die natürliche Ordnung der Dinge,
schreibt Sprenger. Motivation ist nur erreichbar durch Fordern und Fördern,
nicht durch Verführen und die fünf B´s. Umgelegt
auf unsere Unternehmen bedeutet das, der Mitarbeiter ist Partner. Partner in
einem demokratischen Gefüge, welches nach Konsensen sucht (Konsens [lat.]:
gemeinsamer Sinn). In
diesem Zusammenhang bemerkenswerte Worte des ehemaligen VW-Chefs Carl H. Hahn:
„Einer meiner Arbeitsschwerpunkte ist zweifellos, dass wir wegen des sich
verschärfenden Wettbewerbs durch asiatische und europäische Konkurrenten einen
großen reformatorischen Eifer entwickeln müssen. Die Japaner haben uns ja
nicht nur Weltmärkte abgenommen, weil sie etwa Billiglöhne hätten. Das hatten
sie vor 30 Jahren. Sie haben in den letzten 20 Jahren durch eine größere
Mobilisierung aller Menschen in ihren Betrieben es fertiggebracht, mehr
Kreativität und mehr Produktivität zu erzeugen. Hier sehe ich einen weiteren
Schwerpunkt meiner Arbeit, etwas zu bewegen, was gleichzeitig zu einer
qualitativen Verbesserung des Arbeitens und des menschlichen Lebens führt. Wir
müssen wegkommen von den militärisch überkommenen Systemen, nach denen die
Industrie in der ganzen Welt organisiert ist. Der Vorarbeiter als Gefreiter. Der
Abteilungsleiter als Unteroffizier. So ist die Industrie auf Befehl und
Gehorchen organisiert worden... Der Wandel erfordert als allererstes
Vorgesetzte, die willens sind, den Dialog zu führen.“ Dialogisches
Führen scheint also der Schlüssel zu Unternehmenserfolg und motivierten
Mitarbeitern zu sein. Wenn Führungskräfte von Kommunikation sprechen, meinen
sie oft nur die one-way-Variante Information – daran gilt es zu arbeiten. Max
Fritsch sagte einst: „Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem
Wohlwollen des Anderen gelingen“. Als Erkennungszeichen für einen echten
Dialog möge dienen, wenn man aus einem Gespräch anders herauskommt, als man
hineingegangen ist. Führen
ist laut Sprenger vor allem die Vermeidung von Demotivation. In die gleiche
Kerbe schlägt J Sterling Livingston mit seinem Pygmalion-Effekt: Vorhersagen
verursachen ihre eigene Erfüllung – wenn sie also Mitarbeiter für unselbständig
halten, so werden sie es auch sein (self fulfilling prophecies). Die Erwartung
niedriger Leistung ruft niedrige Leistung hervor – und die Erwartung
unmotivierter Mitarbeiter ruft eben unmotivierte Mitarbeiter hervor. Was
wir also laut Sprenger brauchen, ist ein notwendiger Switch in der inneren
Einstellung unserer Führungskräfte: nicht die „Ausnutzung“, das
„Antreiben“ unselbständiger Schlafmützen, sondern die „Ermächtigung“,
das Herausfordern kreativer Akteure. Ein Überschreiten des augenblicklich
Gegebenen als ein Ausschöpfen und Erweitern individueller Potentiale. Ein
Prozess gegenseitiger Weiterentwicklung, von Geführten und Führenden. Damit
fordert (und fördert) Führung die Geführten in ihrer ganzen Persönlichkeit
– zunächst in und für ihren Aufgabenbereich, wie er z.b. in der
Stellenbeschreibung festgelegt ist. Sie aktiviert nicht bloß. Sie „ent-wickelt“
Menschen. Sie realisiert Personal-„Entwicklung“, und das ist Persönlichkeits-Entwicklung
im tatsächlichen Sinn. Sie setzt Talent und subjektiven Überhang frei, den
jedes Individuum in das Unternehmen mitbringt und der so selten abgefordert
wird. Motivation
ist die unwidersprechliche Sache des Einzelnen. Sie zu fördern, ihr Freiraum zu
geben, ist Sache der Führung. Dieser
Satz führt uns zwangsläufig zur Eigen-, zur Selbstmotivation. Doch was heißt
nun „sich selbst motivieren“? Es
meint nicht den Appell, mit Hilfe von Autosuggestion die graue Realität rosarot
einzufärben. Keine Methode des Positiv-Denkens ist hier gefordert, kein Schönreden
als Überlebenstechnik. Es geht vielmehr um die Einsicht in die Tatsache
menschlicher Wahlfreiheit. Die Situation, wie sie jetzt ist, habe ich gewählt
und kann sie auch wieder abwählen. Und genau diese Wahlfreiheit ist die Basis
und Quelle der Selbstachtung, die letztlich sich in Motivation widerspiegelt. |
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